„Noch lange bevor die Kartoffel über den großen Teich nach Europa kam, machten sich die Zisterzienser-Mönche daran, unsere Landschaft nachhaltig zu gestalten und zu prägen...“
Im Jahr 1133 gründete Markgraf Diepold III. das Kloster Waldsassen und stattete es mit umfangreichen Stiftungen aus. Diese Stiftung und die anschließenden Rodungen führten zur Entstehung einer einzigartigen Kloster- und Kulturlandschaft, so dass das mittelalterliche Stiftland bis heute prägend ist. Besonders bemerkenswert sind die Karpfen(-teiche), die zu den größten Teichanlagen Europas gehören, heute bekannt als "Land der 1.000 Teiche". Diese Teiche, von den Mönchen für die Fischzucht genutzt, sind bis heute ein markantes Landschaftsmerkmal und Zeugnis der zisterziensischen Eigenwirtschaft.

Die Zisterziensermönche spielten im Mittelalter in ganz Europa eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Landwirtschaft, Technik und Architektur. Ihre Klöster waren nicht nur religiöse Zentren, sondern auch wirtschaftliche und soziale Impulsgeber. Sie etablierten ein europaweites Netzwerk, das weit über Klostergrenzen hinaus wirkte. Bei den jährlichen Generalkapiteln tauschten sich die Mönche über neue landwirtschaftliche Techniken wie die Dreifelderwirtschaft und technische Innovationen, beispielsweise im Bereich des Wasserbaus, aus. Dies führte zu einer blühenden Wirtschaft im Umgriff der Klöster und machte die Zisterzienser zu Meistern in verschiedenen Bereichen, wie etwa im Bauwesen und Bergbau.

Ein bedeutender Meilenstein in der Geschichte dieser Region und für viele (ehemalige) Zisterzienserklöster war die Verleihung des Europäischen Kulturerbesiegels (EKS) am 17. April 2024. Das Netzwerk cisterscapes, dem 17 Partner aus Deutschland, Österreich, Tschechien, Slowenien und Polen angehören, erhielt diese Auszeichnung in Antwerpen. Der Bamberger Landrat Johann Kalb und weitere Vertreter der beteiligten Klosterlandschaften nahmen den Preis entgegen. Das Stiftland, das mit seinem historischen Zisterzienserkloster im Herzen Europas liegt, ist damit Teil eines europäischen Netzwerks, das das zisterziensische Erbe für die europäische Identität bewahrt und vermittelt. Im Gegensatz zu vielen anderen Netzwerkpartern gibt es noch heute in Waldsassen eine lebendige Ordenstradition. Unter Führung von Äbtissin Laetitia Fech OC ist die Zisterzienserinnen-Abtei Waldsassen überregional als spirituelles Zentrum der Stiftlands bekannt. Gelegen nahe der tschechischen Grenze nimmt das Stiftland im Netzwerk cisterscapes eine besondere Rolle ein und veranschaulicht die bedeutende europäische Dimension des Ordens sowie des Netzwerks cisterscapes.

Das Europäische Kulturerbe-Siegel ist jedoch nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch eine Verpflichtung. Es verpflichtet die beteiligten Regionen, das zisterziensische Erbe zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu gehören Initiativen wie der Weg der Zisterzienser, ein Kulturfernwanderweg, der die Verbindungen zwischen den Klöstern in Europa nachzeichnet. Zudem gibt es die App cisterscapes, mit der Interessierte die zisterziensischen Klosterlandschaften digital erleben können.
Im Stiftland wird das Erbe der Zisterzienser auf drei speziell angelegten Wanderwegen lebendig. Der Klosterlandschaftsweg führt durch die malerische Umgebung und an historischen Orten wie der Dreifaltigkeitskirche Kappl und die legendäre Gründungsstätte des Klosters in Köllergrün vorbei. Der längere Wanderweg "Im Land der 1.000 Teiche" erstreckt sich über rund 55 Kilometer und gibt Einblicke in die Geschichte und Natur des Stiftlands. Der Weg der Zisterzienser verbindet Waldsassen mit anderen europäischen Klöstern und führt Wanderer durch eine faszinierende Kulturlandschaft, die tief mit der Geschichte des Ordens verbunden ist.
Ein weiteres Highlight im Stiftland sind die sogenannten Erlebnisstationen entlang der Wanderwege. Diese informativen Stationen an bedeutenden historischen Stätten, wie etwa dem Fischhofpark in Tirschenreuth als wirtschaftliches Zentrum des Stiftlands, ermöglichen es den Wanderern, mehr über die Geschichte des Klosters und die Bedeutung der Zisterzienser in der Region zu erfahren. Durch diese Maßnahmen wird das kulturelle Erbe lebendig gehalten und den Besuchern nähergebracht.

Mit der Verleihung des EKS-Siegels hat das Stiftland nicht nur eine bedeutende Auszeichnung erhalten, sondern auch die Möglichkeit, die Geschichte der Zisterzienser und deren Einfluss auf die europäische Kultur in den kommenden Jahren in Wert zu setzen. Geplant sind weitere Projekte zur Bewahrung und Vermittlung des Erbes, sowie verstärkte Kooperationen innerhalb des cisterscapes-Netzwerks. So wird das Stiftland nicht nur zu einem wichtigen Knotenpunkt für Kulturinteressierte, sondern auch ein Symbol für die europäische Zusammenarbeit und die Bewahrung eines einzigartigen kulturellen Erbes.